Burg Lauenstein und der böse Heinrich

Ursprung und Namen des Flecken Lauenstein am Nordwest-Zipfel des Ithgebirges sind von einer Burgruine genommen, und mit dieser hat es ein schlimmes Bewenden. Lebte dortzulande nämlich einmal ein Graf Moritz von Spiegelberg, der eine Burg unweit vom Lauenstein mit seiner holden Gattin Elisa bewohnte. Gewiss hätten die beiden Ehegatten ihr Leben in Freuden gelebt und in Frieden beschlossen, wäre nicht eines Tages der Jugendfreund des Spiegelbergers, ein Heinrich von Homburg aufgetreten.
Dieser schwatzte dem jungen Ehemann die Erlaubnis ab, auf dem Felsen Lauenstein ein leichtes Jagdhaus bauen zu dürfen. Immer schwänzelte er um den Grafen herum, schmeichelte sich in dessen Vertrauen, machte sich zum Ratgeber, und gar bald hatte er das Sagen im ganzen gräflichen Schloß. In jenen Tagen rief der deutsche Kaiser zum Kreuzzug auf, da glaubte der Homburger sein Weizen käme zur Blüte. "Du kannst dich nicht ausschließen", redete er dem Freunde ein, "Dein adliger Rang verpflichtet dich, der Kaiser ruft, ein größerer noch, Christus selber. Und so du ein Christ bist, beweise dies durch die Tat. Ich selbst nehme das Kreuz und wir werden Schulter an Schulter kämpfen und siegen". Was halfen die Tränen der treuen Elisa. Moritz von Spiegelberg sammelte seine Mannen und ritt mit seinem Freunde Heinrich von Homburg gen Süden, über den Brenner-Paß nach Venedig, wo die Kreuzfahrer eingeschifft werden sollten. Hier aber legte sich der listige Heinrich aufs Lager, mimte den Kranken, verzögerte sich und ließ den Freund alleine zum Heilligen Grabe fahren. Kaum war der Spiegelberger außer Sicht, so sprang der falsche Freund vom Lager, kehrte spornstreichs über die Alpenberge zurück in die Heimat, und hier betrieb er einen finsteren Plan. Auf jenem Lauenstein nämlich, wo Moritz ihm in seiner Gutmütigkeit den Bau einer Jagdhütte gewährt hatte, ließ der böse Heinrich Steine anfahren, Mauer aufrichten und türmte dort eine feste Burg, welche das weite Tal und die Moritzburg weit überragte. Zu eben jener Zeit, da der Bau vollendet war, kehrte der Graf aus dem Heiligen Lande zurück. Elisa schloss ihn weinend in ihre Arme, denn sie hatte den Burgbau nicht verhindern können. Moritz eilte spornstreichs hinüber und stellte den Betrüger zur Rede. Der aber wusste ihm das Wort im Munde herumzudrehen, dass sich der Arglose abermals täuschen ließ und dem Jugendfreund verzieh. Ja, er folgte sogar einer Einladung zu einem Jagdzug und anschließend einem Festmahl auf dem Lauenstein. Das war ein lustiges Jagen in den wildreichen Wäldern des Ith. Es ging auf Hirsche, Rehe und Sauen, Hasen und Hühner. Die Beute wurde in den Burghof geschleppt, und dann setzten sich die Jäger zum fröhlichen Gastmahl im von Fackeln erhellten Rittersaal nieder. Saitenspiel, Gesang, Braten und Wein erquickten die abgejachterten Gesellen. Alles schien eitel Versöhnung und Freundschaft, Moritz und Heinrich lagen sich in den Armen.
Sage Burg Lauenstein

Während aber die Freuden des Gastmahls im Rausch von Wein und Gesang aufwallten, erglomm plötzlich ein rötlicher Schein, der spiegelte sich an den Deckenbalken und flackerte magisch durch den Raum, wie von Geisterhänden entzündet. Alle sprangen von den Bänken und drängten sich an die Fenster, auf Flur und Brustwehr. Da sahen sie dann die ganze Bescherung: "Es brennt ! Der Spiegelberg brennt!" riefen die Männer. Und richtig, das Grafenschloß da unten stand in heller Lohe. Die Funken sprühten aus den Dachstühlen, und ein Feuerregen zog durch den Talgrund. Jetzt erst sprang der Graf von seinem Sessel, bahnte sich eine Gasse durch die Gaffer zum Fenster und rief: "Heinrich was soll das?" Schnell wendete er sich dem Ausgang zu, um ins Tal zu eilen, Hand anzulegen. Da bohrte sich der Mordstahl in seinen Rücken und Moritz sank blutend zusammen. Drüben waren Heinrich gedungene Mordbrenner am Werk, und die gute Gräfin Elisa konnte sich nur mit Hilfe treuer Diener durch das Flammenmeer retten. Sie floh mit ihren beiden Söhnen zu dem Bischof Moritz von Hildesheim, einem Verwandten ihres Hauses. Dieser und der Herzog Albrecht "der Feiste" von Braunschweig nahmen sich ihrer Sache an. Sie erzogen auch die beiden Jungen. Denn ihre Mutter war bald darauf am gebrochenen Herzen gestorben. Der Herzog und der Bischof beschlossen, den Mordbrenner Heinrich zu richten. Mit Kriegsmacht zogen sie vor den Lauenstein. Aber den bösen Heinrich hatte die Kainsangst in die Arme der Kirche getrieben. Er floh in das Kloster Amelungsborn. Hier stöberte ihn der Graf von Everstein, ein Freund des Ermordeten, auf und erschlug den Ruchlosen eigenhändig mit seinem Schwert. Denn Blut schreit nach Blut!

Quelle: Karl Paetow "Die schönsten Wesersagen"