Herzog Wittekind im Wiehengebirge

Porta Westfalica
Mythen und Sagen

Immer wenn bei den Alten das Wort auf den König Weking (Wittekind) kam, dann gedachten sie auch der Botschaft Karls, die da besagte: "Abschwöre dem Sachsnot und allen Götzen und werde ein Christenmensch wie ich." Und Weking antwortete zornig: "So soll doch der Donner mich schlagen, wenn ich das tue!" Da rückte Karl mit Kriegsmacht vor die Herzogsburg auf dem Seiler bei Iserlohn. Und als er diese im Sturm genommen, eroberte er durch die Zerstörung des Wasserrades die Syburg. Als aber Wittekind auch die Eresburg wieder verloren hatte, und dann die Verteidigungs-Linie des Teutoburger Waldes mit der Iburg, Ravensburg und Tecklenburg aufgegeben werden mußte, zog er sich in die Weserberge zurück. Hier lag im Wiehengebirge eine dritte Sperrkette von starken, ungebrochenen Festungen, deren Wälle noch heute erkennbar sind: Die Wittekindsburgen bei Porta und Osnabrück, bei Rehme und Bergkirchen, dazu der Reineberg und die Babilonie bei Lübbecke, der Limberg, die Dietrichsburg bei Melle und viele andere. Noch war Wittekind Herr dieser festen Schlösser. Sie verschlossen das Land und wehrten mit ihren Brustwehren, Wolfsgruben und hage-büchenen Knicks dem Zugriff der Franken. So ritt der Herzog denn von jenen Burgen hinaus in seine bedrängte Heimat, streifte über die Niederungen, durch Moore und Heiden bis an die untere Hunte und Niederweser, oder er zog durch die Wälder des südlichen Hügellandes zu den sauerländischen Bergen hinauf, wo Wielands Nach-
kommen den Sachsen die Waffen schmiedeten wider den harten Karl. Bei heimlichem Kriegsrat und nächtlichem Thing an den Feuerstellen der Bauern, auf Bergen und Burgen schürte er den Aufruhr, ermutigte seine Getreuen und führte sie dann zu Sieg oder Niederlage, unbeugsam dem Unglück trotzend. Im Hin und Her seiner heimlichen Fahrten konnte keiner erraten, wo der Herzog zu eben der Stunde verweilte. Er tauchte auf aus dem Wald und versank wie im Nebel. So wob sich ein Geheimnis um ihn und seine Genossen.

Kam einmal ein Trupp fränkischer Späher auf seine Spur, fand er im Schnee oder im feuchten Waldboden die Trappen der Rosse. Weil aber der Herzog List und Zauber des Eisens kannte, so hatte er die Hufeisen auf allen Vorder- und Hinterhanden der Rosse nagelfest umdrehen lassen. Seine Fährte wies nun statt in die Richtung der Ausfahrt den Weg der Herkunft zurück. Und es mußte den Schergen erscheinen, der Herzog habe die Burg soeben betreten, obschon er sie doch mit rückwärts beschlagenen Rossen verlassen hatte. Indessen weilte er längst schon in Rehme am Weserstrom oder auf einem anderen Schloß und schmiedete neue Pläne. Also narrte er durch die Kunst der Schmiede seine Verfolger wohl hundertmal.

Quelle: Die schönsten Wesersagen von Karl Paetow